Einkommensteuer | Neues zur Anwendung und Reichweite der 1%-Regelung (BFH)
Der Lohnsteuersenat des BFH hat mit mehreren Urteilen seine bisherige Rechtsprechung korrigiert und entschieden, das die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung grds. immer zu Arbeitslohn führt. Auf die tatsächlichen Nutzungsverhältnissen komme es nicht an. Des Weiteren hat der BFH die Reichweite des sog. Anscheinsbeweises präzisiert. Hiernach kommt die 1%-Regelung erst zur Anwendung, wenn feststeht, dass dem Arbeitnehmer der Dienstwagen arbeitsvertraglich oder doch zumindest auf Grundlage einer konkludent getroffenen Nutzungsvereinbarung tatsächlich zur privaten Nutzung überlassen wurde (BFH, Urteile v. 21.3.2013 u. 18.4.2013 - VI R 31/10; VI R 46/11; VI R 42/12 und VI R 23/12; jeweils veröffentlicht am 10.7.2013).
Hintergrund: Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das zu einem als Lohnzufluss zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers. Der Vorteil ist entweder mit der Fahtenbuchmethode oder, wenn kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt wird, mit der 1%-Regelung zu bewerten (§ 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG).
Sachverhalt: Im Streitfall (VI R 31/10) stellte die Klägerin, eine Steuerberatungsgesellschaft, ihrem Geschäftsführer einen Dienstwagen zur Verfügung. Nach dem Anstellungsvertrag durfte er den Dienstwagen auch für Privatfahrten nutzen. Bei der Lohnsteuer setzte die Klägerin für die private Nutzung lediglich eine Kostenpauschale an, denn eine private Nutzung des Dienstwagens habe nicht stattgefunden.
Hierzu führte der BFH weiter aus:

Die vom Arbeitgeber gewährte Möglichkeit, den Dienstwagen auch privat nutzen zu dürfen, führt beim Arbeitnehmer zu einem Vorteil, der als Lohn zu versteuern ist.

Ob der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der privaten Nutzung Gebrauch gemacht hat, ist dafür unerheblich, denn der Vorteil in Gestalt der konkreten Möglichkeit, das Fahrzeug auch zu Privatfahrten nutzen zu dürfen, ist dem Arbeitnehmer bereits mit der Überlassung des Fahrzeugs zugeflossen.

Deshalb konnten Finanzamt und Finanzgericht im Streitfall den geldwerten Vorteil aus der Überlassung des Dienstwagens zur privaten Nutzung (auch ohne weitere Feststellungen zum Sachverhalt) als Arbeitslohn ansehen.
Hinweis: Stellt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt ein Fahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung, führt dies beim Arbeitnehmer auch dann zu einem steuerpflichtigen Vorteil, wenn der Arbeitnehmer das Fahrzeug tatsächlich nicht privat nutzt. Bisher wurde in derartigen Fällen die tatsächliche private Nutzung des Fahrzeugs vermutet. Der Steuerpflichtige konnte die Vermutung unter engen Voraussetzungen widerlegen. Diese Möglichkeit ist nun – im Lohnsteuerrecht – entfallen. Im Bereich der Gewinneinkünfte sollte ein Beweis des Gegenteils demgegenüber weiterhin möglich sein (z.B. wenn für private Fahrten andere Fahrzeuge zur Verfügung stehen, die dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar sind; s. hierzu BFH, Urteil v. 4.12.2012 - VIII R 42/09).
Anmerkung: In drei weiteren Urteilen (VI R 46/11, VI R 42/12 und VI R 23/12) hat der BFH (nochmals) verdeutlicht, dass die 1%-Regelung nur zur Anwendung kommt, wenn feststeht, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer tatsächlich einen Dienstwagen zur privaten Nutzung arbeitsvertraglich oder doch zumindest auf Grundlage einer konkludent getroffenen Nutzungsvereinbarung überlassen hat. Steht nicht fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen. Dies gelte auch beim einem angestellten Geschäftsführer eines Familienunternehmens (VI R 23/12) oder einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH (VI R 46/11). Auch in einem solchen Fall lasse sich kein allgemeiner Erfahrungssatz des Inhalts feststellen, dass ein Privatnutzungsverbot nur zum Schein ausgesprochen sei oder der (Allein-)Geschäftsführer ein Privatnutzungsverbot generell missachte. Nutzt der Gesellschafter-Geschäftsführer den betrieblichen PKW allerdings unbefugt privat, liege kein Arbeitslohn, sondern eine vGA vor.